Wie werden Formgedächtnislegierungen hergestellt?

In diesem Abschnitt erfahren Sie mehr über die Herstellung von FGL / NiTi-Formgedächtnislegierungen und vertiefen Ihre ersten Erkenntnisse. Basierend auf einigen metallografischen Grundlagen lernen Sie FGL mit mehr als zwei Legierungsbestandteilen sowie deren typische Einsatzbereiche kennen. Folgend vertiefen Sie Ihr Wissen zu Martensit und Austenit in Bezug auf FGL und lernen, woher die geometrische Präzision Ihrer FGL stammt. Außerdem können Sie verstehen, welche Auswirkungen auf die Eigenschaften die Wärmebehandlungen in der Herstellung haben. Ebenfalls erfahren Sie weitere Details zur Formgebungswärmebehandlung, dem so genannten Shape Setting. Anschließen lernen Sie gängige und alternative Bearbeitungsverfahren Ihrer Ni-Ti-basierten FGL an, die Sie bei uns erhalten können. Im letzten Abschnitt erfahren Sie Näheres zu Oberflächen und dem Einsatz von FGL in Materialverbunden / Verbundmaterialien.

Legierungen und Werkstoffdesign

Im Bereich Halbzeuge und Komponenten haben Sie von binären NiTi-FGL erfahren, also solche mit zwei Bestandteilen. Ihre bei Ingpuls erhältlichen FGL basieren derzeit ausschließlich auf den Bestandteilen Nickel (Ni) und Titan (Ti). Hier verfügen wir weltweit über eine außergewöhnliche Expertise. Auch lediglich kleine Änderungen (z.B. 0,01 At.-%) im Zusammensetzungsverhältnis führen bereits dazu, dass sich Ihre FGL signifikant anders verhalten. Dies betrifft

insbesondere das mechanische Verhalten und die Umwandlungstemperaturen. Um Ihr FGL-Funktionsmaterial für Ihren Einsatzbereich und Ihre Branche auszulegen, setzen wir unsere Expertise im Werkstoffdesign ein. Um je nach Ihren Anforderungen produzieren zu können, erhalten Sie also auch NiTi-FGL mit mehr als 2 Legierungsbestandteilen. Das bedeutet, dass wir Ihr Produkt immer auch durch Hinzulegieren weiterer Elemente produktspezifisch

anpassen können. Welche Eigenschaften und Anwendungsbereiche aus welchen zusätzlichen Legierungselementen resultieren, erfahren Sie im vollständigen Kurs. Laden Sie diesen kostenlosen Kurs jetzt hier als PDF herunter – für eine spätere Referenznahme ist darin zudem eine präzise Zusammenfassung enthalten

Martensit und Austenit

Die Eigenschaften der FGL sind durch die Mikrostruktur bestimmt. Näheres haben Sie bereits in den anderen Abschnitten, u.a. Anwendung oder Charakterisierung erfahren. Der Formgedächtniseffekt resultiert aus einer Phasenumwandlung zwischen Martensit und Austenit, der für die unterschiedlichen Ausprägungen des Formgedächtniseffektes verantwortlich ist. Sie erinnern sich: In der Gefügeart Martensit ist NiTi scheinbar plastisch verformbar und bei Erwärmung wandelt sich die Mikrostruktur des Elements in Austenit um. Bei diesem Vorgang „erinnert“ es sich an 

seine zuvor einprogrammierte Form. Beispielsweise wird ein verbogener Draht wieder gerade oder eine eingangs komprimierte Spiralfeder dehnt sich wieder aus. Die erfolgende Umwandlung ist dabei geometrisch eindeutig, weil der Austenit eine hochsymmetrische Kristallstruktur ist und so keine andere Form zulässt. Im kostenlosen Kurs erfahren Sie, woran die geometrische Präzision liegt und wie die Phasenumwandlung bei superelastischem Material vor sich geht. Klicken Sie hier, um sofort und kostenlos Zugang zu Ihrem FGL-Kurs zu erhalten.

Kaltverformung und Wärmebehandlung

Zur Feinung der Mikrostruktur von FGL sind mehrere Prozessschritte im Wechsel erforderlich. Dazu nehmen Sie abwechselnd eine Kaltverformung und eine Wärmebehandlung (Zwischenglühungen) sowie in den meisten Fällen eine abschließende Wärmebehandlung zur finalen Einstellung der Parameter vor: Die Formgebungswärmebehandlung. Im kostenlosen Kurs lernen Sie einige Parameter und deren Hintergründe dazu kennen und verstehen, warum kaltverformte FGL keine oder nur sehr eingeschränkte Formgedächtniseigenschaften aufweisen.

ingpuls-gmbh-bochum

Formgebungswärmebehandlung

Das Einprogrammieren einer bestimmten Gestalt in eine FGL-Komponente erfolgt in einer Formgebungswärmebehandlung. Im Englischen ist dieser Vorgang als sogenanntes „shape setting“ bekannt. Die Grundsätze der Formgebungswärmebehandlung haben Sie bereits im Abschnitt Charakterisierung kennengelernt. Dazu wird üblicherweise ein Formgebungswerkzeug mit einer 

Zielform verwendet. In dieser wird Ihre Komponente vor der Formgebungswärmebehandlung fixiert. Welche Art von Werkzeugen und Prozessen hier zum Einsatz kommen, erfahren Sie ebenfalls im Kurs. Ferner lernen Sie noch, warum es eine Überhitzung Ihrer Komponente – auch im Einsatz – die Performance Ihrer FGL-Komponente dauerhaft beeinträchtigt.

Spanende Bearbeitung

Die spanende Bearbeitung wie z.B. das Bohren, Drehen oder Fräsen kennen Sie von Ihren konventionellen Werkstoffen. Diese Verfahren können Sie ebenfalls grundsätzlich für NiTi-FGL anwenden. Allerdings wird die spanende Bearbeitung von FGL durch einige Materialeigenschaften erschwert. Durch die spanende Bearbeitung 

bringen Sie lokal einen hohen Wärmeeintrag in das Werkstück. Ohne umfangreiche, zusätzliche Maßnahmen führen Sie dabei also lokale Umwandlungen im Gefüge herbei. Was das genau für Sie bedeutet, wenn Sie diese konventionellen Verfahren anwenden, lernen Sie hier in Ihrem kostenlosen Kurs.

Alternative Herstellungs- und Bearbeitungsverfahren

Ebenfalls können Sie auf alternative Herstellungs- und Bearbeitungsverfahren zurückgreifen. Denn pauschal lässt sich kein Verfahren als das beste bezeichnen. Denn die Vor- und Nachteile der jeweiligen Verfahren sollten Sie spezifisch für Ihre geplante Anwendung gewichten.

In Ihrem Kurs haben wir für Sie die gängigsten, alternativen Herstellungs- und Bearbeitungsverfahren für FGL aufgelistet. Außerdem erfahren Sie mehr über verfügbare Prozessrouten, die pulvermetallurgisch ablaufen sowie die Option, FGL im Dünnschichtverfahren mittels so genannter Sputtertargets herzustellen.

Oberflächenbearbeitung

Insbesondere das in NiTi-FGL enthaltene Titan weist eine hohe Reaktivität auf. Wenn Sie keine besonderen Maßnahmen treffen, entsteht daher im Herstellungsprozess eine dünne Oxidschicht (vom Typ TiO). Wenn Sie diese Schicht vermeiden wollen, sollten Sie Gießprozess und Wärmebehandlungen aus diesem Grund in Vakuumanlagen durchführen. Eine solche kann aber auch gewünscht sein, da sie eine autopassivierende Wirkung hat. Sie schützt so vor Korrosion und trägt so zur Biokompatibilität des Materials bei. Für den Gesamtproduktionswirkungsgrad muss daher im Einzelfall abgewogen werden, bis zu welchem

Prozessschritt eine Oxidschicht mehr Vorteile und ab wann sich diese in einen Nachteil umkehren. Die Oberflächenbearbeitung kann technische oder auch teilweise rein ästhetische Gründe haben. Dazu greifen Sie auf etablierte Bearbeitungsverfahren zurück, die Sie aus der gängigen Oberflächenbehandlung kennen (beispielsweise das Schleifen, das Trovalisieren, das Polieren, das Beizen oder auch das Elektropolieren). Jedoch stehen Ihnen bereits vorher, im Herstellungsprozess selbst, viele Möglichkeiten zur Verfügung, durch das Processing positiv auf die von Ihnen gewünschte Oberfläche hinzuwirken.

Warum Sie gegebenenfalls einen bestimmten Oberflächentyp wünschen könnten, in welchen Anwendungsformen die Oberflächenbearbeitung erforderlich sein kann, und welche Werkzeuge Sie dazu im Processing einsetzen können, das lernen Sie näher in Ihrem FGL-Kurs kennen, diesen können Sie hier ganz unverbindlich und kostenlos PDF herunterladen – machen Sie Ihren ersten Schritt mit FGL.

Beschichtungen und Verbundmaterialien

Ferner können Sie NiTi-FGL vorteilhaft als Beschichtung einsetzen. Mit FGL lassen sich keine guten Bindungen zu Polymeren erzielen. Im Umkehrschluss sind mit FGL beschichtete Spritzgusswerkzeuge vorteilhaft. Sie funktioniert FGL im Spritzgussprozess wie Teflon in der Pfanne. Sie erreichen höhere Lebensdauern, präzisere Spritzgusserzeugnisse und reduzieren die Kosten in Wartung und Instandhaltung massiv.FGL-Beschichtungen sind aber auch perfekt zum thermischen Spielausgleich geeignet oder zur Schwingungsdämpfung. In beiden Fällen werden Legierungen verwendet, die im 

Betriebspunkt superelastische Eigenschaften aufweisen. Sie erinnern sich, dann reagiert das Metall gummiartig. Dehnen sich andere Partner aus, nimmt sich FGL zurück. Ziehen sich die anderen Partner bei Abkühlung wieder zusammen, kommt das FGL hinterher. Die mechanische Hysterese der superelastischen FGL eignet sich hervorragend zur Schwingungsdämpfung. Bei einem Be- und Entlastungszyklus wird die mechanische Energie der Schwingung über die Phasenumwandlung im NiTi in Wärme umgewandelt.

Diese Wärme wird dann an die Umgebung abgegeben. So erhöht man die Lebensdauer von Lagern, Getrieben, Windkraftanlagen oder Maschinen im Allgemeinen. Wird die Beschichtung durch ein zusätzliches System erwärmt kann man die mechanischen Eigenschaften beeinflussen. Auf diese Weise ist eine Kopplung an Maschinenparameter möglich und Sie haben die perfekte Dämpfung für jeden Betriebszustand. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt!

ingpuls-gmbh-bochum

Was Sie sich also jetzt schon einmal merken können:

  • Es gibt binäre NiTi-FGL höherwertige NiTi-Basis-FGL (mehr als 2 Legierungsbestandteile)
  • Die Umwandlung in Austenit ist geometrisch eindeutig und somit exakt vorherbestimmbar
  • Zum Erreichen des gewünschten Formgedächtnis-Verhaltens sind diverse, gezielte Wärmebehandlungen unabdingbar; in der Herstellung/Produktion (insbesondere Glühen); in der Komponente Formgebung (v.a. Formgebungswärmebehandlung)
  • Zur Herstellung und Bearbeitung von NiTi können konventionelle und alternative Verfahren angewendet werden.
  • Diese betreffen sowohl die geometrische Form als auch die Oberflächen. Sie unterliegen allerdings teilweise signifikanten Einschränkungen (insbesondere spanende Verfahren)
  • FGL lassen sich untereinander und mit anderen Materialien durch entsprechende Verfahren in geeigneter Weise kombinieren
  • Mit Beschichtungen aus FGL können Schwingungen gedämpft, Spielausgleich realisiert und Spritzgusswerkzeuge optimiert werden